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Ärger bei Rock im Park: Menschen mit Behinderungen fühlen sich beim Ticketkauf benachteiligt

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Von: Katharina Brumbauer

Rockfans fiebern dem Rock im Park-Festival entgegen. Tickets sind heiß begehrt, wer welche ergattern will, muss in der Regel schnell zuschlagen. Menschen mit Behinderungen haben es hier schwer.

Nürnberg – Eine gefühlte Ewigkeit hängen sie in der Warteschleife der Ticket-Hotline fest. Währenddessen verheißt der Blick auf das online verfügbare Ticket-Kontingent nichts Gutes. Karte für Karte geht dort weg, während sie noch darauf warten, ihr Ticket buchen zu können. Wenn Menschen mit Behinderungen Konzertkarten kaufen, fühlen sie am Ende oft Frust und Resignation. Denn sie können ihre Tickets nicht einfach mit ein paar Mausklicks kaufen. Oft müssen sie bei einer speziellen Hotline des Ticketverkäufers anrufen. So ist das auch beim Festival Rock im Park 2023 in Nürnberg der Fall.

Rock im Park 2023: Ticket-Kauf nicht für jede Person gleich leicht

Menschen mit Behinderungen müssen eine gebührenpflichtige Nummer des Anbieters Eventim wählen. Wenn also zum Beispiel Rollstuhlfahrer Rock-im-Park-Karten kaufen möchten, müssen sie offenbar einen finanziellen wie organisatorischen Mehraufwand in Kauf nehmen.

Und dann ist die Hotline meist so überlastet, dass die Betroffenen die besten und günstigsten Tickets gar nicht mehr ergattern. In einem Jahr, in dem die hohen Ticketpreise beim Festival schon heiß diskutiert werden, sorgt also das Thema Inklusion für weitere Kontroversen: Die Kritik steht im Raum, dass Menschen mit Behinderungen beim Kauf von Rock-im-Park-Tickets benachteiligt werden.

Keine Rock-im-Park-Tickets für Menschen mit Behinderungen im regulären Vorverkauf

Felix Brückner, der sich in der Initiative „Barrierefrei feiern“ engagiert, spricht gegenüber Merkur.de von „struktureller Diskriminierung“. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen würden nicht ausreichend berücksichtigt, erklärt Brückner, der Sänger einer Rockband ist und selbst im Rollstuhl sitzt.

Die Einrichtung barrierefreier Toiletten und Parkplätze, wie es sie in diesem Jahr auch bei Rock im Park geben wird, seien ein Fortschritt. Rollstuhlpodeste oder speziell gekennzeichnete Bereiche seien gut und schön, „aber sie sollten nie die einzigen Optionen für Besucher mit Behinderungen sein“, betont Brückner. „Wir wollen, wie alle anderen, selbstbestimmt entscheiden, wo, wie und mit wem wir eine Veranstaltung genießen.“ Aber solange Menschen mit und ohne Behinderungen auf, vor und hinter der Bühne nicht selbstverständlich miteinander agieren und auch Tickets für Menschen mit Behinderungen schwieriger zu bekommen sind, „sind wir noch weit von gleichberechtigter Teilhabe entfernt“, betont Brückner.

Rock-im-Park-Pressestelle: „Wollen Abläufe verbessern“

Der Pressestelle von Rock im Park sind die Probleme, die Menschen mit Behinderungen beim Kauf von Festival-Tickets haben, bewusst. „Wir tauschen uns regelmäßig mit Eventim aus“, erklärt Julia Popp vom Veranstalter Argo-Konzerte unserer Redaktion. Um die Wartezeiten bei der Ticket-Hotline zu verkürzen, wurde eine zweite Telefonnummer eingerichtet. „Wir wollen die Abläufe verbessern und dafür sorgen, dass die Hotline schneller erreichbar ist.“ Doch warum bieten die Veranstalter für Personen mit Behinderungen nicht einfach online eine eigene Ticket-Kategorie an?

Das liegt daran, dass Menschen mit Behinderungen einen Festival-Pass bekommen sollen, der sie berechtigt, auf einem eigenen „Special Needs Campingplatz“ zu campen. Eine Begleitperson sollen sie kostenlos aufs Festivalgelände mitnehmen dürfen. Dafür müssen die Betroffenen einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen B (= Begleitung) vorweisen. Die muss der Ticketverkäufer Eventim überprüfen.

Extra Ticket-Kategorie für Menschen mit Behinderungen scheitert an technischen Hürden

Damit es nicht zu langen Wartezeiten am Einlass kommt, betont Popp, sei es sinnvoll, dass Eventim die Schwerbehindertenausweise direkt bei der Ticketbuchung überprüft. Dann könnten die Betroffenen direkt ein Special-Needs-Ticket kaufen und mit diesem – und einer Begleitperson – zum Festivalgelände. Beim Highspeed-Festival müssen Gäste hingegen am Einlass ihren Schwerbehindertenausweis vorzeigen, erst dann gibt es die Festivalbändchen für den Gast und die Begleitperson. „Das ist umständlich, das wollen wir anders handhaben“, sagt Popp.

Es gebe ein festes Kontingent an Special-Needs-Tickets, deswegen sei es auch gar nicht der Fall, dass Menschen mit Behinderungen beim Ticketkauf leer ausgehen. Dass sie es derzeit noch schwerer haben an Tickets zu kommen, das hat Popp jedoch wohl gesehen. Die Einführung einer extra Ticketkategorie im Online-Ticketshop scheitere aber noch an technischen Hürden. Damit die Betroffenen ihre Special-Needs-Tickets regulär im Vorverkauf online kaufen können, müsste es funktionieren, dass Eventim die Schwerbehindertenausweise automatisiert überprüft. Das sei aber derzeit noch nicht möglich. Deswegen sei der Umweg über die Ticket-Hotline nötig.

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Rock-im-Park-Veranstalter verweist auf Eventim

Brückner hört diese Begründung öfter, dass Anpassungen bei großen Ticketportalen aus technischen Gründen nicht so schnell umsetzbar sind. Aber er sieht den Grund dafür, dass Menschen mit Behinderung beim Ticketkauf nach wie vor nicht gleich behandelt werden, vor allem in einem Punkt: „Die Ticketing-Portale sehen sich hier nur als Dienstleister und verweisen an die Veranstaltenden, die wiederum verweisen auf die Hotlines der Portale“, sagt Brückner. Auch Popp verweist bei Fragen zu konkreten Abläufen bei der kostenpflichtigen Tickethotline auf Eventim. „Somit entsteht ein Teufelskreis und es bleibt unklar, wer eigentlich verantwortlich ist“, moniert Brückner.

Doch nicht nur Veranstalter sieht Brückner in der Pflicht, auch die Politik. „Richtlinien und gesetzliche Regelungen zur Grundlage von Barrierefreiheit von Veranstaltungen sind noch zu wenig reguliert.“ Die Betroffenen wären bereit und in der Lage, klare Handlungsempfehlungen zu formulieren. Zu diesem Zweck hat sich die Initiative „Barrierefrei feiern“ auch gegründet. Aus ihr ist 2021 in Nürnberg die Beratungsagentur „Wir kümmern uns“ hervorgegangen, die Veranstaltern mit Workshops und Vorträgen ein Angebot bieten möchte, sie bei der Planung einer barrierefreien Kulturveranstaltung zu unterstützen. „Doch dazu müssten die Veranstalter mit uns in den Austausch gehen.“

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