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Rekord-Corona-Zahlen in 2022: Trotzdem hat die Pandemie in Bayern ihren Schrecken verloren

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Von: Thomas Eldersch

Corona war 2022 bei vielen Menschen nur noch eine Randerscheinung.
Corona war 2022 bei vielen Menschen nur noch eine Randerscheinung. © Sebastian Kahnert/dpa

2022 infizierten sich so viele Menschen wie nie zuvor mit dem Coronavirus. Trotzdem gibt immer weniger Regeln und Schutzmaßnahmen in Bayern.

München – Das dritte Jahr Corona nähert sich seinem Ende. Während in China derzeit Krankenhäuser aus allen Nähten platzen und Millionen Menschen infiziert sind, nimmt die einst tödliche Pandemie in Bayern nur noch einen untergeordneten Stellenwert ein. Derweil war dieses Jahr das schlimmste Jahr seit dem Ausbruch der Krankheit Anfang 2020 – zumindest wenn es nach den Infektionszahlen geht. Inzwischen haben allerdings das RS-Virus, die Grippe und andere Atemwegserkrankungen dem Coronavirus den Rang abgelaufen.

Corona in Bayern: Mehrere Millionen Infizierte zu Beginn des Jahres

Zu Beginn des Jahres schraubten sich die Infektionszahlen und die Inzidenz in Bayern in ungeahnte Höhen. Den Höhepunkt erreichten die Werte am 23. März. Omikron wütete und die Inzidenz lag bei 2400. In den ersten dreieinhalb Monaten 2022 wurden in Bayern mehr als drei Millionen Infektionen gemeldet. Damit waren es mehr als doppelt so viele wie in den Jahren 2020 und 21. Das geht aus den Daten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hervor (LGL). Einer der Millionen Infizierten war der Landeschef höchst persönlich. Markus Söder (CSU) gab seine Erkrankung am 9. April bekannt.

Aber nicht nur der Stellenwert der Pandemie änderte sich 2022. Auch der strenge und häufig eigensinnige CSU-Chef vollzog eine Wandlung in diesem Jahr. Während er einst das „Team Vorsicht“ ausrief und in Bayern mitunter die strengsten Corona-Regeln in ganz Deutschland durchsetzte, wandelte sich sein Vorgehen trotz hoher Infektionszahlen. Er wechselte zuerst in das „Team Augenmaß“ bis es dann an der Zeit war, das „Team Freiheit“ zu propagieren.

Dieser radikale Kurswechsel wurde teils humorvoll aufgenommen. Ihm wurden schnell andere Teamzugehörigkeiten angedichtet. Beispielsweise spiele Söder im „Team Volksfest-Hopping“ oder im „Team O zapft is“, da er sich auf zahlreichen Volksfesten und Umzügen im Freistaat ablichten ließ. Sein Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) musste zurückrudern. „Von einem ‚Team O zapft is‘ kann keine Rede sein. Unser Ziel war und ist immer, eine an die Lage angepasste und pragmatische Pandemie-Politik zu machen.“

In Bayern wurden einige Corona-Impfschäden offiziell anerkannt (Video)

Corona geht in Bayern in eine andere Phase über

„Natürlich haben wir gerade in der Anfangsphase deutlich strengere Schutzmaßnahmen ergriffen, denn wir wussten anfangs noch zu wenig über das Virus, über seine Varianten, und wir hatten zunächst keine Impfungen“, sagte Holetschek der dpa in München. Im Laufe der Zeit habe man aber viel über das Virus gelernt, die Schutzmechanismen hätten sich verbessert und es wurde großflächig geimpft. „Jetzt stehen wir vor dem dritten Jahrestag des ersten Corona-Falles in Bayern und Deutschland und sind natürlich in einer anderen Phase.“

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Auf die Frühlingswelle folgte eine fast ebenso ausufernde Sommerwelle. Die Zahlen gingen kaum runter. Feste und Veranstaltungen fanden dennoch statt. Dann rollte die Herbstwelle heran. Wie hoch diese ausfiel, ist schwer zu sagen. Menschen ließen sich immer seltener testen. Experten rechneten mit einem enormen Anstieg der Dunkelziffer. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach mit Blick auf die bundesweite Situation davon, dass das wahre Infektionsgeschehen das Drei- bis Vierfache der Inzidenz sei. Die Hospitalisierungen mit Corona – ein anderer Indikator für das Infektionsgeschehen – stieg während der Herbstwelle jedenfalls höher als je zuvor.

Kaum noch Corona-Regeln in Bayern

Ende des Jahres sind wir in Bayern mittlerweile bei rund fünf Millionen Infektionen angekommen. Glücklicherweise stiegen im selben Zeitraum die Todeszahlen nicht äquivalent an. Dennoch starben auch 2022 mehrere Tausend Menschen in Bayern im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

Markus Söder preschte derweil weiter mit seinem „Team Freiheit“ vor. Er stürmte mit Bayern bei der Lockerung der Corona-Isolationspflicht voran und lockerte mit als erster die Masken-Pflicht im ÖPNV. Begründet wird das in München mit einer fehlenden Rechtsgrundlage wegen der geringen Inzidenz, andere Bundesländer halten dennoch daran fest.

Und die Inzidenz, die uns jahrelang als feste Zahl in jeder Nachrichtensendung begleitet hat, ist auch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Weil immer weniger getestet wird, ist sie nur noch wenig aussagekräftig. Zuletzt sank die Zahl der PCR-Tests unter 100.000 pro Woche. Im Februar waren es noch sechsmal so viele. „Die Sieben-Tage-Inzidenz hat aufgrund der gelockerten Teststrategie ihre ‚Seismographen-Funktion‘ weitgehend eingebüßt“, sagte der Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, Ende November. Damals schätzte er die Dunkelziffer auf mindestens Faktor zehn. (tel mit dpa)

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