Vom Chalet bis zur Hütte: Paar aus Bayern macht Baumhaus-Wünsche wahr

Baumhäuser gibt es in so vielen Formen, wie es Bäume gibt. Das fasziniert Christopher Richter und Miriam Rüggeberg seit Langem. Heute baut das Paar beruflich Baumhäuser und weiß: Auch Erwachsene haben ausgefallene Wünsche.
Schondorf – Es windet in Schondorf im Norden des Ammersees, die Temperatur liegt knapp über null. „Doch der Baum ist richtig warm“, sagt Miriam Rüggeberg, als sie den alten Walnussbaum berührt. Ihr Mann Christopher Richter inspiziert den teils meterdicken Stamm. Dann blicken beide hoch ins Geäst. Genauer: zu einem zweistöckigem Baumhaus inklusive Balkon, Schlafnische, Erker und Vogelhäuschen, das unter der Krone ruht.
Nach sechs Monaten war Traum-Baumhaus in ihrem Garten fertig
Knapp sechs Monate haben sie jedes Wochenende gesägt und geschraubt, bis das Baumhaus im Garten von Richters neunjähriger Patentochter Leni stand. Materialkosten: um die 3000 Euro. Ertrag: ein überglückliches Kind. „Die Idee hatte Leni selbst“, sagt Richter lächelnd, als er nach der Leiter greift und prüfend daran rüttelt. Sie sitzt fest und sicher an der hölzernen Plattform in drei Metern Höhe. „Als sie gehört hat, dass ich Baumhäuser baue, wollte sie unbedingt eins und fingt direkt an, Pläne zu zeichnen.“

Seit 15 Jahren arbeitet Richter, der mit seiner Frau und dem vierjährigen Sohn Silvester in Schondorf lebt, als Baumhaus-Architekt. Aktuell für die Tegernseer Firma Baumbaron. Zuvor ging er in den USA bei der Baumhaus-Koryphäe Pete Nelson in die Lehre. Mit der TV-Sendung „Die Baumhaus-Profis“ wurde Nelson bekannt. „Ich habe Pete zufällig auf einer Münchner Handwerksmesse kennengelernt“, erzählt Richter.
Baumart sei enorm wichtig
Seit dem letzten Besuch ist etwas Zeit vergangen. Vor drei Jahren konnte die zehnjährige Hausherrin Leni einziehen – erst heute besitzt das Baumhaus die richtige Reife. „Jetzt sieht es richtig baumhäuslich aus“, sagt die 40-jährige Rüggeberg. Baumhäuslich, so nennen die beiden die Optik, wenn sich eins ihrer Projekte gut an einen Baum und in die Landschaft fügt. Denn erst mit der Zeit verfärbt sich die Holzverschalung und lässt das Haus nicht mehr künstlich, sondern natürlich gewachsen erscheinen.
In seiner Lehrzeit in den Vereinigten Staaten lernte der 43-Jährige, dass nur Vorsicht, Achtsamkeit und Rücksichtnahme auf die Natur zu einem schönen und beständigen Ergebnis führen. „Es fängt schon bei der Baumart an. Eichen zum Beispiel erholen sich schnell von Verletzungen. Andere Bäume brauchen dafür mehr Zeit und sind anfälliger für Pilzinfektionen.“ Prüfenden Blickes sucht er nach Schäden in der Verbindung zwischen Baum und Haus. Eine Baumhausschraube, die als künstlicher Ast fungiert und bis zu acht Tonnen trägt, ist gut in den Stamm eingewachsen. Er registriert das mit einem kleinen Nicken. Probleme entdeckt er keine. Nur ein fünf Zentimeter breiter Gurt, der einen Teil des Gewichts auf einen massiven Ast verlagert, sollte etwas gelockert werden. „Der Baum muss wachsen können und das Haus mit ihm“, sagt Christopher Richter. Kleine Korrekturen und Nachbesserungen sind daher die Regel.
„Für mich ist es die Distanz zum Alltag“
Seine Frau öffnet die Tür. Die Dielen knarzen, als Rüggeberg das Haus betritt. Durch drei Fenster, ehemals verbaut im Bauernhaus nebenan, fällt viel Licht. Neben einer Sitznische steht Holzspielzeug aus der vergangenen Saison. Rüggebergs erstes eigenes Baumhaus im elterlichen Garten nannte sie „Räubernest“. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Szene-Bloggerin. Gemeinsam mit ihrem Mann schreibt sie für einen Baumhaus-Blog, veröffentlichte mit ihm Anfang März ein Buch über den Eigenbau im heimischen Garten. Das Baumhaus von Richters Patenkind diente als Inspiration, Vorlage und praktisches Beispiel. Ihr vierjähriger Sohn Silvester half als Bauhelfer und Werkzeug-Reicher kräftig mit.

Beide bewegen sich geübt auf den knapp 20 Quadratmetern. Rüggeberg lässt den Blick durch das Haus schweifen. „Es reicht schon ein Meter zwischen mir und dem Erdboden, dass ich entspanne“, sagt sie. Dann klettert sie in das Dachgeschoss. Der fünf Quadratmeter kleine Raum wirkt dank des Fensters deutlich größer als er eigentlich ist. Es riecht nach Holz und Natur, Rüggeberg macht es sich auf den Kissen gemütlich. „Für mich ist es die Distanz zum Alltag, die Ruhe und der Überblick. Es ist ein tolles Gefühl, an so einem Ort zu sein.“
„Schreibstuben, Liebesoasen, Gästezimmer oder Yoga-Räume“
Zwei Dinge lernten die beiden über die Jahre: „Jedes Projekt ist unvergleichbar, wie jeder Baum unterschiedlich ist.“ Und neben dem klassischen Abenteuerspielplatz für Kinder kann ein Baumhaus auch erwachsenen Ansprüchen genügen. „Schreibstuben, Liebesoasen, Gästezimmer oder Yoga-Räume; mit Stromanschluss und Ofen; gedämmt und mit Holzschindeln gedeckt – die Möglichkeiten sind schier unendlich“, sagt Richter.
Das erinnert ihn an einen Spruch seines ehemaligen Ausbilders Pete Nelson über die Faszination für solche Orte hoch oben im Geäst: „Wenn wir schon nicht mit Vögeln fliegen können, so können wir zumindest mit ihnen nisten.“ Bis zum nächsten Besuch wird sicher wenig Zeit verstreichen, das wissen Rüggeberg und Richter. Ihren vierjährigen Sohn Silvester haben die beiden mit ihrer Begeisterung bereits angesteckt.